Das ewig gültige Zitat aus der Verserzählung „Buch Jona“ vom ungarischen Dichter Mihály Babits dient als Motto der Holocaust-Wanderausstellung, die dank der Stiftung „Marsch der Lebenden“ in der Aula des UBZ zu besichtigen ist. Tibor Pécsi, Historiker und fachlicher Leiter der Stiftung „Marsch der Lebenden“ bereitete freiwillige Schülerinnen und Schüler der Institution vor, die Führungen durch die Ausstellung halten werden. Tibor Pécsi war auch bereit, meine Fragen zu beantworten.
- Der Name der Stiftung ist an sich schon vielsagend. Was müssen wir über ihre Tätigkeit wissen?
- Die Stiftung „Marsch der Lebenden“ ist eine internationale Organisation. Sie wurde 1988 mit dem Ziel gegründet, den Opfern des Holocausts zu gedenken. Viele wissen vielleicht, dass jedes Jahr am Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto die Veranstaltung „Marsch der Lebenden“ stattfindet, eine Wanderung zwischen Auschwitz und Birkenau, die beliebte Persönlichkeiten – Akteure des öffentlichen Lebens, herausragende Persönlichkeiten des Kulturlebens, berühmte Sportlerinnen und Sportler – aus 55 Ländern zusammenbringt. Sie alle folgen der Strecke, auf der Tausende von Juden in den Tod marschiert sind. Das Ziel ist eindeutig: das breite Zusammenhalten demonstriert, dass der Plan der Nazis erfolglos war. Wir sind hier. Wir leben.
- Auch in Budapest werden ähnliche Gedenkmärsche gehalten.
- Die ungarische Organisation der oben genannten Stiftung wurde 2003 gegründet und seit 2004 halten wir unsere eigenen Märsche. Wir wählen jedes Jahr authentische Strecken. Dieses Jahr werden wir in Budapest am 16. April zum Gedenken an diejenigen, die Arbeitsdienst leisten mussten, vom Koltói-Anna-Platz (Josefstadt) aus zur Synagoge am Bethlen-Platz (Elisabethstadt) gehen.
- Sie haben die Wanderausstellung mit einem klaren Ziel erstellt: die rassische Diskriminierung der Menschen darf sich nie wieder wiederholen. Was sind weitere Botschaften der Ausstellung?
- Das Motto unserer Ausstellung lautet: „… wer schweigt, trägt Mitschuld“, das aus der Verserzählung „Buch Jona“ von Mihály Babits stammt. Damals gab es Zeitgenossen, die mit den Nazis nicht einverstanden waren, aber nicht den Weg der Menschenrettung oder des Widerstands gewählt haben. Diese nicht-jüdischen Menschen haben nicht getan, was sie hätten tun können. Bis heute besteht die Frage: Warum nicht?
- Liefert die Ausstellung uns die Antwort darauf?
- Wir stellen weitere Fragen, die jeder selbst beantworten muss. Die wichtigste Aufgabe unserer Stiftung besteht darin, bei allen Menschen, die mit uns in Kontakt kommen, eine Attitüde zu entwickeln. 1964 – also viele Jahre nach dem Holocaust – wurde eine Frau in New York ermordet. Rund 30 Leute haben es gesehen und gehört, aber niemand hat sich eingemischt. Auch damit wollen wir die Besucher unserer Ausstellung darauf aufmerksam machen, dass sie in solchen Situationen keine passiven Beobachter bleiben sollen. Sie sollen Mitleid mit den Opfern haben, die Täter verurteilen, und sich mit den Menschenrettern, den Widerstandleistenden identifizieren.
- Wie lange bleibt die Wanderausstellung im UBZ?
- Man kann die Ausstellung bis Ende April besichtigen.
- Vielen Dank für das Gespräch!
Antal Fiedler