Die Gemeinnützige Stiftung für die Ungarndeutschen in der Batschka, die Bajaer Deutsche Selbstverwaltung, der Deutsche Kulturverein Batschka und das Ungarndeutsche Bildungszentrum (UBZ) luden zur Einweihung und Übergabe des Landesdenkmals der Ungarndeutschen am 18. Oktober ein.
„Die Donau fließt vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer und verbindet Länder und Völker miteinander. Das Bindeglied bildeten und bilden dabei die Schiffe: Boote, Dampfer und die Ulmer Schachteln. Ein solches Schiff wollen wir heute auf dem Hof des Ungarndeutschen Bildungszentrums einweihen – die Ulmer Schachtel von Baja: Eine Sehenswürdigkeit, einen Lernort, ein Denkmal. Sie soll die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Ungarndeutschen miteinander verbinden“ – mit diesen Worten eröffnete die Feierstunde, zu der circa 300 Gäste von nah und fern gekommen waren, Frau Szauter, Hauptdirektorin des Bildungszentrums.
Laut Dr. Zoltán Fürjes, dem für Kirchen und Nationalitäten zuständigen stellvertretenden Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, sei die Ulmer Schachtel das Symbol des Neuanfangs: „Sich auf den Weg ins Ungewisse machen, und zwar mit einem festen Glauben und mit fester Hoffnung, sodass man bei der Ankunft sogar das Schiff, das im Falle eines Misserfolgs die einzige Möglichkeit der Rückkehr, der Heimkehr ist, auseinanderzunehmen, bedeutet, dass man sich auf den Weg in eine neue Heimat macht. Dank dieses festen Glaubens und der daraus resultierenden harten Arbeit fanden diese Deutschen hier tatsächlich ihr neues Zuhause, und auch ihre Nachkommen, die gleichwohl hart arbeiteten, betrachten dieses Land ebenfalls als ihre Heimat.“
Frau Klara Nyirati, die erst vor fünf Tagen neu gewählte Bürgermeisterin Bajas, sprach ebenfalls Grußworte aus. Sie erzählte vom Dubliner Museumsschiff Jeanie Johnston, welches ein Symbol für den Aufbruch der Iren aus der Not in die neue Heimat sei. Das Schiff stehe für die Geschichte der Millionen Iren, die im 19. und 20. Jahrhundert aus ihrer Heimat wegen der großen Hungersnöte flohen und die lange und beschwerliche Überfahrt nach Nordamerika in Kauf nahmen. Deswegen sei auch für sie das Schiff vor dem UBZ ein Symbol für Entwicklung und Arbeit, die man zusammen leistet. Sie sprach den Wunsch aus, dass das Schiff auch als Symbol für die Freundschaft mit anderen Nationen stehe.
Alfred Manz, Leiter des Teams, das sich das Schiff erträumt und verwirklicht hat, stellte das mehrere Jahre lang dauernde, vielen Privatpersonen, Firmen, Organisationen und in- und ausländischen Spendern zu verdankende Zustandekommen der Ulmer Schachtel vor. „Sie soll ein Denkmal für unsere Ahnen darstellen, die mit ihren Fachkenntnissen und ihrem Fleiß zum Wiederaufbau des Landes nach der Türkenzeit wesentlich beigetragen haben. Sie soll zur touristischen Attraktion in Baja und im Komitat Bács-Kiskun beitragen. Da diese die einzige Ulmer Schachtel in Originalgröße im Land ist, hofft er, dass sie viele Interessenten in die Stadt lockt. Sie soll aber auch als außerschulischer Lernort dienen, und die erste Station des im Frühling nächsten Jahres zu übergebenden ungarndeutschen Landeslehrpfades sein. ?Wir haben dem Schiff den Namen Hoffnung gegeben: Dieser Namen soll auf die Hoffnung unserer Ahnen auf ein neues, besseres Leben hinweisen sowie auch auf unsere Hoffnung darauf, dass wir unsere Sprache, Kultur, Traditionen und Identität bewahren können.“ Am Ende seiner Rede dankte Herr Manz allen fleißigen Helfern, besonders seinen schulischen Mitstreitern Therez Ruff, Peter Csorbai und Joszef Emmert, die u.a. für alle technischen Probleme eine Lösung finden konnten. Im Logbuch, das in der Hütte des Schiffes ausliegt, sind alle Spender und Spenderinnen aufgeführt, die zum Gelingen des Projektes beigetragen haben.
Ibolya Hock-Englender, die Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen bereicherte die Feierstunde durch die Geschichte ihrer eigenen Familie: „1726 beschließt der in Hessen, im Umkreis von Fulda geborene, 42 Jahre alte Georg Hack mit seiner Frau, Anne Margaretha Möller, und seinen fünf Kindern, dem Ruf zu folgen und in Ungarn ein neues Leben anzufangen. Die Familie kommt noch in diesem Jahr in Seike in der Branau an. 1741 heiratet der Sohn Johannes – schon als Hock – die Witwe Eva Steinpochin in Bawarz. Den Urkunden nach ist er von 1741 bis 1748 Steuerzahler, 1752 aber steuerfrei, und nach diesem Jahr der Richter der Gemeinde. Mit ihm und seinen Kindern fängt die Geschichte der Familie Hock – meiner Familie – in Bawaz an. Dieser Stammbaum mit Namen und Jahreszahlen zeigt mir viele Momente von vielen, mir unbekannten, doch vertrauten Menschen.“
Durch die Veränderung des Namens Hack sowie durch die zuerst deutschen, dann ungarischen, schließlich wieder deutschen Vornamen erschlössen sich Familienschicksale, und in diesen widerspiegele sich das Schicksal einer ganzen Gemeinschaft: Neues Zuhause, sichere Existenz, Kinderreichtum, aber auch all das Leid, das ihnen wegen ihres Deutschseins widerfahren ist, so die Vorsitzende.
„Ob Georg Hack damals mit einer Ulmer Schachtel gekommen ist, kann nicht nachgewiesen werden, ich möchte es aber glauben, weil für mich dieses Schiff den Willen der vielen verkörpert, eine neue Heimat in einem fremden, anderssprachigen Land aufzubauen, aber sich die Herkunft, die Sprache und die Sitten nicht aufzugeben.“
Das kulturelle Rahmenprogramm in der Aula gestalteten feierlich der Schülerchor, die UBZ-Nachtigallen sowie draußen vor der Schachtel mit ihrem szenischen Spiel Schüler und Schülerinnen und Lehrer. Nach dem Durchschneiden der Bänder wurde der kirchliche Segen von den Pfarrern Schindler und Kovacs gespendet.
Bevor Peter Csorbai zum Buffet in die Grundschule bat, wurde gemeinsam das Lied der Ungarndeutschen gesungen.